Abenteuer Island – Videodreh am Polarkreis 2017

Die Planung

Die Arbeit am Album war seit einem Jahr beendet, kleinere Gigs absolviert. Ich wollte mehr – es fehlte ein Video zum Titelsong. Über mehrere Ecken kannte ich Kim Anderson, Schauspieler und Director aus Köln, der alsbald für einen Dreh zusagte. Meine originären Bilder zu Noble Earth waren filmisch nicht umzusetzen; in der Wüste und auf Schiffen zu drehen, Stunts mit Autos, sowie computeranimierte Ungeheuer hätten definitiv mein Budget gesprengt.

Jedoch schaffte Kim es, mich in einem spätabendlichen Telefonat davon zu überzeugen, den Dreh nach Island zu verlegen. Im ersten Moment ein wahnwitziger Plan, den ich nonchalant mit „Du hast doch n Knall“ kommentierte, der bei genauerer anschließender Betrachtung aber durchaus umsetzbar war.

Nach zweimonatiger Planung stand somit fest: Wir fliegen im September 2017 mit einem Filmteam nach Island.

Um Noble Earth filmisch zu realisieren, hatten wir uns eine trashig abenteuerliche „Sci-Fi trifft Highlander“-Story zusammengebastelt. Die wichtigste Vorgabe von mir war, dass der Pokal, vor dem ich auf dem Cover vom Noble Earth-Album knie, eine zentrale Rolle spielt.

Die Story

Die Story in kurz: Der Menschheit wird die „Silberkugel“ gestohlen, das allumfassende Symbol für Liebe und Freundschaft. Lionceau, Weltenreisender, bricht zu einem Befreiungskommando auf einen fernen Planeten auf, um die Kugel zurückzubringen. Er spürt sie auf, wird entdeckt und fortan von Ninja-artigen Kreaturen quer durch die dortige unwirtliche Natur verfolgt. Ihm gelingt jedoch die Flucht zurück auf sein Raumschiff, wo sich sofort die Wirkung der Silberkugel einstellt und sämtliche sich dort aufhaltenden Menschen wieder Liebe empfinden – über alle Geschlechtergrenzen und Ethnien hinweg.

Das Team um Kim hatte einen Drehplan ausgearbeitet, Flüge und Unterkünfte gebucht, Equipment besorgt. Die Reise konnte losgehen.

Tag 1, Donnerstag

Am 14. September 2017 traf sich dann das 4-köpfige Filmteam, Director Kim, Kameramann Thomas, der bereits schon einige beeindruckende Dokumentionen u.a. für Arte gedreht hatte, sowie Angie und Fabian als AssistentInnen mit mir morgens um acht Uhr am Düsseldorfer Flughafen.

Lionceau und Kim mit Käppi, Fabian im Hintergrund, Thomas‘ Hand am Handy

Wir waren etwas besorgt wegen der Gepäckaufgabe, da wir mit drei riesigen Koffern voller Kameraausrüstung, Drohnen und Stativen unterwegs waren; wir konnten jedoch problemlos einchecken. Der Flug ging um 12:20 und dauerte dreieinhalb Stunden. Da jedoch Island zwei Stunden hinter der mitteleuropäischen Zeit hinterher ist, landeten wir um 14 Uhr Ortszeit.

Das Abenteuer begann bei der Abholung des Leihwagens: Zu fünft standen wir mit unserem Riesengepäck in der kleinen Blockhütte des Autoverleihs in Kevlavík und wurden skeptisch vom Angestellten betrachtet: „So, two cars for you?“ „No, just one, as in the reservation.“ Dem armen Mann entgleisten komplett die Gesichtszüge, aber er händigte uns beherrscht die Schlüssel für den kleinen viertürigen Kia Rio aus und stapfte kopfschüttelnd von dannen.

Lionceau bei einer Drehpause im kleinen Kia

Wir vollbrachten die logistische Meisterleistung sowohl das komplette Gepäck, als auch uns fünf in den Wagen zu bugsieren und es ging los, zunächst in einem Supermarkt, um Proviant einzukaufen und sich das erste Mal über die exorbitanten isländischen Preise zu wundern.

Die erste Etappe war überschaubar – von Kevlavík nach Reykjavík. Eigentlich eine Strecke von 50 Kilometern, jedoch nahmen wir den Umweg über die 417 und passierten den Nationalpark Reykjanesfólkvangur mit dem Bláfjöll-Gebirge im Hintergrund. Die meiste Zeit auf Island gab ich den Fahrer, manchmal wurde ich von Kim abgelöst. Einerseits war es großartig, durch die epische isländische Landschaft zu kutschieren, andererseits strengte mich der Dreh unglaublich an, wie ich später noch berichte, sodass die Doppelaufgabe von Hauptdarsteller und Chauffeur ein zweifelhaftes Vergnügen war. Großartige Landschaften taten sich auf und Kim freute sich wie ein Schneekönig und verlangte den ersten Halt, um zu drehen.

Fabian mit Kim am Nationalpark Reykjanesfólkvangur

Für mich begann dann der sportliche Teil: Wie beschrieben werde ich im Film von Ninjas verfolgt, sodass die meisten Aufnahmen von mir zeigen, wie ich durch die Gegend renne. Meine Aufgabe nach dem „Action!“-Ruf war also klar: Lauf!

Handyvideo: Drehvorbereitungen im Nationalpark

Nach etwa zwei Stunden waren die ersten Aufnahmen im Kasten, ich lauftechnisch austrainiert und wir fuhren weiter zu unserem Ziel Reykjavík. Dort hatten wir eine große Wohnung gemietet, in der das Team für die ersten zwei Nächte gemeinsam unterkam. Nach gemeinsamem Kochen und Essen sowie Sichtung der ersten Aufnahmen und Anschließen sämtlicher Akkus zum Aufladen fielen wir alle nach Mitternacht in unsere Betten.

Tag 2, Freitag

Um fünf Uhr ging der Wecker, da wir jeden Tag einen mordsstrammen Drehplan hatten. Zunächst ging es Richtung der Halbinsel Snæfellsnes, etwa 150 km Distanz. Zumindest waren wir nun mit leichtem Gepäck unterwegs – aber immer noch zu fünft im Auto. Immer wieder hielten wir auf das Kommando von Kim an und drehten Szenen, in denen ich, nun ja, über Island sprinte. Mein Handy, das ich in der Tasche hatte, verriet mir anschließend, dass ich jeden Tag etwas 15 Kilometer gejoggt bin.

Auf einem Gebirgspass hielten wir in einer atemberaubenden Landschaft und drehten epische Szenen für den Chorus.

Ohne zu pathetisch zu werden, kann ich sagen, dass dieser Dreh zu einem der erhebendsten Momenten meines bisherigen Lebens gehört. Aus der Bluetoothbox unseres Assistenten Fabian erklang Noble Earth, mein Song, und ich kniete im isländischen Gebirge und performte.

Weiter ging es und wir entdeckten unseren ersten kleinen Wasserfall. Hier probierten wir das erste Mal die Drohne aus und Thomas, unser Kameramann, machte seine ersten Erfahrungen mit dem unberechenbaren isländischen Wind.

Bei den Dreharbeiten trafen wir auf hinreißend nette Leute aus aller Welt, die mich begeistert bei den Aufnahmen anfeuerten und zu denen ich heute noch über Facebook Kontakt habe.

Die Crew: Lionceau, Thomas, Angie, Kim und Fabian, Foto von Colleen aus Amerika

Auf dem Rückweg nach Reykjavík hielten wir an einer Hügelformation und filmten mit Drohne einen Teil des Prologs, in welchem ich einen steilen Geröllberg hochsprinte.

Läuft bei Lionceau…
Handyvideo vom Dreh vor dem Hang

Bei starkem Wind entstanden großartige Aufnahmen, die ergänzt wurden durch die Szene, in der ich die gestohlene Silberkugel entdecke.

Am Ende des Drehtags war ich platt wie ein Blatt Papier – aber da sollte es erst richtig losgehen.

Tag 3, Samstag

Wieder brachen wir früh morgens auf. Auf dem Drehplan standen der Wasserfall Seljalandsfoss sowie Aufnahmen am berühmten „Black Beach“, bekannt aus Game of Thrones, Star Trek: Into Darkness und Star Wars: Rogue One.

Auf der Fahrt sahen wir eine große dunkelgrüne Rasenfläche, auf der Kim unbedingt drehen wollte. Bei näherer Betrachtung erwies sich die Wiese jedoch als hüfthoher, kilometerweiter Pflanzendschungel, der Angie, unsere Assistentin, fast überragte. Trotzdem wurden wir von Kim in den „Dschungel“ hineingetrieben, der zudem mit Schafkötteln übersät war. Dies war der emotionale Tiefpunkt der Reise und meine Motivation komplett im Keller. Aber ich bemühte mich, professionell zu bleiben und zog das durch – die Bilder entschädigen im Nachhinein für alles.

Am Seljalandsfoss angekommen wurde es kniffelig: Wir waren dort natürlich nicht allein – es sollte aber so aussehen, als ob ich mutterseelenallein auf einem fremden Planeten herumturne. Mit viel Geduld und Dank des findigen Auges von Kameramann Thomas gelang es uns aber, genau diesen Eindruck zu erwecken. Oder doch nicht? Schau in der Cinematic Version von Noble Earth mal genau hin ;-)…

Der Seljalandsfoss hat eine Besonderheit: Man kann hinter dem Wasserfall entlanggehen – und auch einen Film drehen, wenn man will. Man sollte dabei jedoch auch das Wasser im Auge behalten, was ich nicht tat und plötzlich eine Megadusche abbekam und bis auf die Haut durchnässt war.

Slippery when wet: Lionceau im Wasserfall

Nun denn, sagte ich mir, Ersatzklamotten anziehen, mich wie ein Kind freuend, dass der Wasserfalldreh funktioniert hat – auch wenn er wörtlich wurde, und weiterfahren – nach Mýrdalur, einem kleinen Fischerdorf am Black Beach.

Nach einem kurzen Fußweg erreichten wir den faszinierenden und berühmten Strand, wo wir die beiden epischen Szenen drehten, in denen ich auf dem Planeten ankomme und nach der Flucht mit der Silberkugel zum Raumschiff zurückkehre. Zu den trashigen Ideen des Drehbuchs gehörte auch, dass ich ohne Oberbekleidung mit der Kugel am Strand knie, dann auf das Wasser zugehe, wo das Raumschiff auf mich wartet. Fest steht: Es soll ein einmaliges Erlebnis bleiben, nach 25 Liegestützen für die gute Performance mit nacktem Oberkörper bei sieben Grad auf Island an einem Strand zu knien, das ich für alle Zeiten hinter mir habe…

7 Grad, die Frisur sitzt.

Im Anschluss winkte ein weiterer schwarzer Strand etwa eine halbe Stunde entfernt. Hier entstanden die Verfolgungsszenen mit der Ninja-Kämpferin, die wir im Anschluss im Gelände vor dem Strand fortsetzten.

Handyvideo: Vorbereitung und Besprechung einer Ninja Szene

Nach diesem Dreh verließen uns Angie und Fabian, um eine Inselrundfahrt zu starten. Wir waren an Tag 5 am Flughafen Kevlavík verabredet, um gemeinsam zurück nach Deutschland zu fliegen.

Fast durch Zufall entdeckten Kim, Thomas und ich auf der langen Rückfahrt nach Reykjavík die Zufahrt zum Skógafoss-Wasserfall. Es war zwar bereits recht spät, aber durch die nördliche Lage Islands noch ausreichend hell und wir beschlossen, uns diese Gelegenheit auf gar keinen Fall entgehen zu lassen. Zurecht – wie die Aufnahmen zeigen.

Diesmal ging Kim mit den anderen Touristen etwas rabiater vor, wedelte mit dem Kameraequipment vor Amerikanern und Japanern und dirigierte sie freundlich aber bestimmt zur Seite. Es funktionierte tatsächlich. Für knapp einen Minute war niemand anderes im Bild und ich tat, was ich auf Island halt zu tun hatte – ich rannte vom Wasserfall auf die Kamera zu.

Wir fuhren nach Reykjavík zurück, wo wir gegen 22 Uhr ankamen und uns trotz der Strapazen des Drehtags nach dem verdienten Genuss einer Pizza ins dortige Nachtleben stürzten.

Mittlerweile hatte ich ein eigenes Apartment bezogen und fiel dort nach zwei ausgelassenen Stunden in der „Lebowski-Bar“ in einen wohlverdienten Schlaf.

Tag 4, Sonntag

Den darauffolgenden Tag hatte ich mir drehfrei erbeten, da mein Kopf völlig überladen war von den überwältigenden Eindrücken der vergangenen Tage, außerdem brauchte mein Körper dringend eine Pause von der Rennerei. Wir nutzten die Zeit um uns Reykjavík anzuschauen und machten dann tatsächlich noch einen längeren Ausflug mit dem Auto, um mehr von Island zu sehen.

Tag 5, Montag

Den letzten Tag unserer Reise hatten wir uns für ergänzende Aufnahmen vorbehalten. Auf einer Rückfahrt hatten wir eine faszinierende Landschaft nicht weit von Reykjavik entdeckt, in der Kim unbedingt filmen wollte. Bislang war uns der isländische Wettergott wohl gesonnen gewesen, an diesem Tag jedoch verließ uns das Glück ein wenig, sodass wir in einem Roadstop einkehrten und darauf warteten, dass es aufklarte. Wir waren alle drei von den Strapazen der letzten vier Tage erschöpft und müde, gleichzeitig aber inspiriert und aufgekratzt.

„Jetzt alle mal lächeln!“ Bombenstimmung am letzten Drehtag.

Tatsächlich klarte dann das Wetter auf und wir konnten die letzten Aufnahmen angehen, bei denen auch wieder die Drohne zum Einsatz kam. Gegen 18 Uhr waren die Szenen im Kasten und wir traten den Heimweg an.

Dann hieß es packen, auschecken und zum Flughafen fahren, da unser Rückflug früh morgens ging und wir geplant hatten, die Nacht am Flughafen zu verbringen, um rechtzeitig einchecken zu können.

Kurz vor Mitternacht gaben wir den Leihwagen zurück und stellten fest, dass wir in den fünf Tagen annähernd 1500 Kilometer gefahren waren. Die Nacht am Flughafen war indes kaum vergnügungssteuerpflichtig, weil ohne Schlaf, und wir waren froh, als der Morgen graute und das Einchecken begann.

Thomas und Lionceau am Flughafen. Wer fotografiert sowas?

Kim konnte auf dem wackeligen Rückflug intensiv seiner Flugangst frönen, andere aus unserer Crew gönnten sich trotz Turbulenzen eine wohlverdiente Mütze Schlaf. Müde, erschöpft, aber hochzufrieden – so lässt sich wohl am besten unser Befinden beschreiben, als wir schließlich in Düsseldorf landeten. Gemeinsam hatten wir ein großartiges Abenteuer erlebt, dass wir alle nie vergessen werden. Mein Dank dafür ist euch, Kim, Thomas, Angie und Fabian, gewiss.

Studio, Köln

Nach dem Dreh ist vor dem Dreh. Mit der Rückkehr aus Island war das Videoshooting noch nicht beendet; es fehlte noch die finale Szene aus dem Raumschiff, nachdem ich vom schwarzen Strand ins Schiff zurückkehre und die Wirkung der Silberkugel deutlich wird.

Kim hatte einige SchauspielerInnen eingeladen, die uns bei der Umsetzung unterstützten. Die Idee: Ich laufe durch ein Spalier von Menschen, die dann von der Liebeswirkung der Silberkugel erfasst werden und sich über alle vermeintlichen Grenzen hinweg in die Arme fallen.

Eindruck vom Videodreh im Kölner Studio

Danach standen dann die Sichtung von über 6 Stunden Fimmaterial aus Island sowie die Editierarbeiten an, was sich einige Zeit hinzog. Um die Story auch für Nichteingeweihte verständlich zu machen, schrieb ich einen Prolog in Versform, der die Langversion des Videos einleitet.

Insgesamt haben wir von Beginn der Planung bis zur Fertigstellung ein gutes halbes Jahr an dem Musikvideo zu Noble Earth gearbeitet. Das gesamte Ergebnis, die Cinematic Version, siehst du hier: